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Auf den folgenden Seiten möchten wir uns und unsere politische Arbeit im Stadtteil kurz vorstellen.
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Unsere Vorstandssitzungen finden in der Regel immer am 1. Dienstag eines Monats statt (außer es handelt sich um einen Feiertag).
Anfang April startete der französische Präsident Emmanuel Macron eine neue politische Kampagne auf europäischer Ebene. Macrons jüngstes Projekt ist für seine Präsidentschaft und seine Wahrnehmung der Macht von entscheidender Bedeutung: Der „Grande Marche pour l’Europe“ richtet sich an seinem Programm aus, mit dem er 2017 die dominanten politischen Parteien Frankreichs gestürzt und seine Bewegung La République En Marche! zu einem politischen Machtfaktor gemacht hatte. Innerhalb von sechs Wochen untersuchen zehn Minister und 200 Parlamentarier die Meinung der Franzosen über Europa und europäische Themen. Die Ergebnisse werden dann in die Entwicklung einer Plattform einfließen, die 2019 bei den Wahlen zum Europäischen Parlament die populistischen und euroskeptischen Parteien schlagen soll.
Mit Ausnahme von Ungarn und Großbritannien hat Macron alle anderen EU-Mitgliedstaaten überredet, ähnliche öffentliche Untersuchungen durchzuführen. Er hofft, dass diese eine Grundlage für die EU-Reformen bilden können, die er letztes Jahr bei öffentlichen Auftritten in Athen und an der Sorbonne versprochen hat.
Um Macrons Pläne völlig zu verstehen, müssen wir die Prinzipen berücksichtigen, die seine Weltsicht stützen und hinter seinem politischen Ansatz stehen.
Um Macrons Pläne völlig zu verstehen, müssen wir die Prinzipen berücksichtigen, die seine Weltsicht stützen und hinter seinem politischen Ansatz stehen. Kaum jemand ist mit Macrons Denken besser vertraut als der französische Historiker und Philosoph François Dosse. Dosse war nicht nur Ende der 1990er Macrons Lehrer am Institut d'etudes politiques (Sciences Po), sondern hat ihn auch seinem intellektuellen Mentor vorgestellt, dem französischen Philosophen Paul Ricoeur, für den Macron dann zwei Jahre lang als Forschungsassistent gearbeitet hat.
Dosse hat kürzlich ein Buch über Macron und Ricoeur mit dem Titel Le Philosophe et le President veröffentlicht. Vor ein paar Wochen habe ich ihn in seinem Pariser Apartment getroffen, um mit ihm über sein jüngstes Werk zu sprechen. Er erklärte mir, hinter Macrons Herangehensweise an die europäischen Reformen stehe eine Kombination zweier grundlegender ricoeurischer Konzepte.
Das erste nennt sich „consensus dissensuel“. Dies mag wie eine hochtrabende Version des Sprichworts klingen, dass man seinen Kuchen nicht gleichzeitig essen und behalten kann. Aber in Wirklichkeit geht es laut Dosse darum, aus der Opposition zwischen zwei konkurrierenden Sichtweisen Kraft zu schöpfen – nicht zu verwechseln mit dem Hegelschen Ansatz, der eine Synthese zwischen zwei Polen anstrebt. Dass Macron dem Ricoeur-Modell folgt, lässt sich auch daran erkennen, dass er, wenn er seine parallel laufenden Inlandsreformvorschläge beschreibt, häufig die Phrase „en même temps“ („gleichzeitig“) verwendet.
Auch mit seiner europäischen Vision scheint Macron zu versuchen, das Unvereinbare in Einklang zu bringen: Er plant, sowohl die Souveränität der Mitgliedstaaten zu bewahren als auch die Integration der EU zu vertiefen. In institutioneller Hinsicht bedeutet dies, dass er staatsübergreifende Körperschaften unterstützen will und gleichzeitig versucht, in den Bereichen, in denen die Nationalregierungen Probleme besser lösen können als Brüssel, mehr Flexibilität zu ermöglichen.
Während sich die erste Welle europäischer Integration größtenteils auf die Wirtschaft beschränkte, will Macron den Schwerpunkt nun auf Politik und Kultur legen.
In verteidigungspolitischer Hinsicht will sich Macron innerhalb der bestehenden EU-Abkommen bewegen, und er unterstützt Vorschläge für eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation, PESCO) und einen Europäischen Verteidigungsfonds. Aber ebenfalls hofft er, den aktuellen EU- und NATO-Rahmen hinter sich lassen zu können, um eine Europäische Interventionsinitiative (EII) zu gründen, die mit britischen, US-amerikanischen und anderen alliierten Streitkräften zusammenarbeiten würde.
Im Migrationsbereich will Macron nicht nur die europäischen Außengrenzen sichern, sondern auch dafür sorgen, dass die Last der Aufnahme von Flüchtlingen über die gesamte EU verteilt wird. Kurzfristig strebt er an, dass sich die Mitgliedstaaten auf Flüchtlingsquoten einigen. Aber langfristig unterstützt er die stärkere Harmonisierung der Asylsysteme oder gar die Einführung einer zentralen EU-Asylagentur.
Auch in Bezug auf den Euro hofft Macron, gegensätzliche Ideen miteinander in Einklang bringen zu können. Einerseits strebt er Reformen innerhalb Frankreichs an, die das Risiko finanzieller Krisen verringern. Andererseits setzt er sich aber auch für ein gemeinsames EU-weites Haushalts- und Finanzministerium ein, um die Währungsunion widerstandsfähiger gegen zukünftige Turbulenzen zu machen.
Jenseits dieser Bereiche will Macron auch die digitalen Innovationen fördern, indem er eine europäische Version der US-amerikanischen Agentur für Forschungsprojekte der Verteidigung (Defense Advanced Research Projects Agency, DARPA) einführt. Gleichzeitig will er durch Regulierung und einen gemeinsamen Haushaltsansatz die nationalen Souveränitäten im digitalen Zeitalter fördern.
Das zweite Ricoeursche Konzept, das hinter Macrons Weltsicht steht, ist die Idee einer europäischen „Neugründung“. Während sich die erste Welle europäischer Integration größtenteils auf die Wirtschaft beschränkte, will Macron den Schwerpunkt nun auf Politik und Kultur legen. Damit beginnen will er im nächsten Jahr bei der Wahl zum Europäischen Parlament.
Wenn Macron die politische Bühne der EU unter die Lupe nimmt, sieht er fade Kartellparteien, die genauso reif für einen Sturz sind, wie es die französischem Mainstream-Parteien im Jahr 2017 waren. Beispielsweise hat er die gemäßigte rechte Europäische Volkspartei durch die Frage provoziert, wie eine parlamentarische Gruppe sich christdemokratisch nennen kann, wenn ihr die Parteien des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán angehören.
Außerdem erkennt Macron, dass der Niedergang der gemäßigten Linken in Europa – gemeinsam mit dem bevorstehenden Post-Brexit-Exodus der britischen Labour-Parlamentarier – ein enormes Vakuum hinterlässt, das gefüllt werden muss. Dazu überlegt er, eine europaweite „En Marche!”-Bewegung zu gründen, die für die Präsidentschaft der Europäischen Kommission ihren eigenen Spitzenkandidaten nominieren könnte. Tatsächlich wird bereits davon gesprochen, dass die europäische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager diese Rolle einnehmen könnte.
Ursprünglich hatten die Macronistes geplant, Aussteiger aus anderen Parteien zu rekrutieren und dann mit der linksgerichteten Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa zu koalieren. Allerdings könnte die Gründung einer europäischen En Marche!-Bewegung bedeuten, dass dadurch auch diese Allianz an den Rand gedrängt wird. Auf jeden Fall wird die deutsche Kanzlerin Angela Merkel für die Kommissionspräsidentschaft auf einen konservativen Kandidaten bestehen, also könnte Macron versuchen, dies als Druckmittel für Zugeständnisse in anderen Bereichen zu verwenden.
Vieles bleibt abzuwarten, aber klar ist bereits, dass Macron in die europäische Politik eine neue Denkweise eingebracht hat. Seiner Ansicht nach kann sich die Souveränität in Europa nur auf EU-Ebene abspielen. Er führt Frankreich von der Fünften in eine Sechste Republik, die nicht mehr streng franco-francaise ist, sondern wahrhaft europäisch.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
(c) Project Syndicate
Quelle: Online Zeitschrift ipg-journal vom Referat Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung 16.04.2018
Mitten in einer Krise der Sozialdemokratie in Europa erfreut sich die portugiesische Regierung breiter Anerkennung. Entgegen dem allgemeinen Rechtstrend in der Politik hat sie sich zu einem positiven Beispiel für eine Mitte-Links-Regierung entwickelt. Die sozialistische Minderheitsregierung unter Ministerpräsident António Costa konnte für eine durch und durch sozialdemokratisch zu bezeichnende Politik, die an frühere sozialistische Regierungen 1995 bis 2002 und 2005 bis 2011 anknüpft, die Unterstützung der dogmatischen Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) und des Linksblocks gewinnen.
In ihrem Text The Portuguese Government Solution vertritt die portugiesische Politikwissenschaftlerin Ana Rita Ferreira die These, es handle sich möglicherweise „um eine Art ‚vierten Weg‘ der sozialdemokratischen Politik, der sich enger an der traditionellen ideologischen Linie“ vor dem Dritten Weg orientiere.
Interessant ist das derzeitige Bündnis deshalb, weil es den „Fluch“ aus vier Jahrzehnten unüberbrückbarer Differenzen innerhalb der Linken beendet hat. Die Sozialistische Partei (PS) war infolge dieser Differenzen nach rechts gedriftet, die radikale Linke in einer Sackgasse der Ohnmacht und lärmender Selbstgerechtigkeit steckengeblieben. Dank der neuen konstruktiven Beziehung zwischen Sozialisten, Kommunisten und Linksblock kann die PS eine kohärente Mitte-Links-Strategie verfolgen und verbindet die politischen Initiativen der radikalen Linken mit einer gehörigen Dosis Pragmatismus.
Die Partner setzten gemeinsam alles daran, die schweren Schäden, die die Troika mit ihren Sparmaßnahmen verursacht hatte, zu beheben und Portugal wieder auf den Kurs der modernen Volkswirtschaften und Sozialstaaten Europas zu bringen.
Die Partner setzten gemeinsam alles daran, die schweren Schäden, die die Troika mit ihren Sparmaßnahmen verursacht hatte, zu beheben und Portugal wieder auf den Kurs der modernen Volkswirtschaften und Sozialstaaten Europas zu bringen. Der wechselseitige Lernprozess, in dem die sehr unterschiedlichen Kräfte voneinander profitieren, fördert innovative Debatten, die allerdings ausgeprägter in der PS und im Linksblock stattfinden als in der PCP, die in ihrem ideologischen Dogmatismus verharrt und sich jedem „Wandel durch Annäherung“ verweigert.
Nach Jahrzehnten des Antagonismus und mangelnder Kooperation haben sich die Sozialisten und ihre linken Partner ein breites Handlungsfeld für mögliche gemeinsame Initiativen erschlossen. Zu nennen sind hier in erster Linie die Konsolidierung und Erneuerung des Sozialstaats, aber auch die Entwicklung eines sozioökonomischen Entwicklungsmodells.
Die Sozialisten betreiben seit langem federführend den Aufbau und die Fortentwicklung des portugiesischen Sozialstaats (Rentensystem, Bildung, Gesundheit). So führten sie 1996 die Sozialhilfe ein, 2005 die Solidarische Rentenaufstockung für Ältere. Linksblock und PCP sind für die Fortentwicklung dieses Erbes natürliche Verbündete, und mit ihrer Unterstützung hat Costas Regierung zügig die Sozialmaßnahmen wiedereingeführt, die unter der Troika beschnitten worden waren. Weitere Maßnahmen sind notwendig, etwa im krisengeschüttelten Gesundheitswesen, und eine der wichtigsten Aufgaben der PS, des Linksblocks und der PCP wird es sein, bei der Lösung der vielen anstehenden Probleme die Haushaltsdisziplin nicht aus den Augen zu lassen.
Eine weitere wichtige Aufgabe für das Linksbündnis ist die Weiterentwicklung eines sozioökonomischen Entwicklungsmodells, das Wachstum und nachhaltige Arbeitsplätze schafft. Die sozialistische Regierung unter Premierminister António Guterres (1995 bis 2002) legte das Fundament für den Übergang von einer technologisch schwach entwickelten Volkswirtschaft zu einer Wissensgesellschaft, der sich in den letzten beiden Jahrzehnten in Portugal vollzog.
Die sozialistische Partei hat von dem Bündnis stark profitiert. Seit Januar 2017 liegt ihre Zustimmung in der Bevölkerung bei etwa 40 Prozent.
Zu den wichtigsten Leistungen in diesem Bereich zählt die 1995 eingeleitete umfassende Reform des Bildungs- und Wissenschaftssektors. International wurde besonders die Initiative „Neue Chancen“ für eine verbesserte Qualifikation der portugiesischen Arbeitnehmerschaft (2007 bis 2011) gelobt, die in der Wirtschaft einen Modernisierungsschub auslöste. Die historischen Errungenschaften sozialistischer Regierungen und die aktuelle Politik bilden eine gute Grundlage für die Debatte über die weitere sozioökonomische Entwicklung mit den linken Partnern.
Für eine Fortsetzung der Kooperation der linken Parteien und das Einläuten einer neuen Ära progressiver Regierungspolitik in Portugal gibt es mithin genügend Gründe, und wenn man die Programme der drei Partner realistisch prüft, ergeben sich in diversen Politikbereichen auch genügend Gemeinsamkeiten. Die Frage lautet nun: Begreifen die beteiligten Parteien, dass eine Fortsetzung des gemeinsamen Projekts in ihrem jeweiligen Interesse ist, und rechtfertigt die Qualität des Projekts für sie Zugeständnisse an die Partner?
Die sozialistische Partei hat von dem Bündnis stark profitiert. Seit Januar 2017 liegt ihre Zustimmung in der Bevölkerung bei etwa 40 Prozent, und in den Kommunalwahlen im Oktober gelang der Partei ein historischer Wahlsieg. In dieser für sie komfortablen Situation könnte sie versucht sein, ihre Position der Stärke auszuspielen und einen Bruch mit den linken Partnern zu riskieren.
Objektive Gründe sprechen dagegen, dass diese Zentrifugalkräfte überhandnehmen. Insbesondere sind das die beträchtlichen Erfolge der Regierung mit Unterstützung des Linksblocks und der PCP sowie die Stärke des Bündnisses ungeachtet wiederholter Versuche rechter Kräfte, es zu spalten. Hinzu kommt die Person des Premierministers: Costa hat schon oft erfolgreich Allianzen geschmiedet, sei es als Minister für Parlamentsangelegenheiten (1995 bis 1999) oder als Bürgermeister von Lissabon, wo er in einer breiten Koalition das Wahlergebnis der Sozialisten von 30 Prozent im Jahr 2007 auf 40 Prozent 2009 verbessern und im Jahr 2013 schließlich die absolute Mehrheit holen konnte.
Wie Daniel Finn in seiner sehr kenntnisreichen und fundierten, wenn auch einseitigen Analyse der Erfolgsgeschichte der neuen linken Allianz in Portugal durchaus richtig darlegt, haben „sich Linksblock und PCP einen Weg zwischen ideologischer Abgeschlossenheit und politischer Neutralisierung erschlossen“. Das überrascht besonders im Fall der Kommunisten, die auf eine starke Tradition der dogmatischen Abkapselung zurückblicken und deshalb das Experiment der Kooperation am ehesten abbrechen könnten, um dem Risiko ideologischer Kontaminierung aus dem Weg zu gehen. Der Linksblock dagegen hat seine sozialen Wurzeln im gebildeten städtischen Milieu und kultiviert eine offenere Debatte und einen modernen Politikstil. Der Block könnte innerhalb der portugiesischen Linken durchaus dazu beitragen, ein klar definiertes gemeinsames Projekt zu formulieren und umzusetzen.
Im Umfeld künftiger politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit wird das portugiesische Experiment einer Linksregierung nur eine Chance haben, wenn es seitens der EU weiter entsprechend unterstützt wird.
Eine Fortführung des Linksbündnisses nach der nächsten Wahl wird wohl, wenn überhaupt, nur mit dem Linksblock möglich sein. Rechnerisch könnte das eine realistische Option sein, denn Umfragen zufolge können Sozialisten und Linksblock gemeinsam auf etwa 50 Prozent der Stimmen kommen. Trotz aller Beschränkungen durch die Wirtschafts- und Haushaltslage eröffnet sich so eine große Chance, die gleichzeitig eine gewaltige Herausforderung darstellt.
Die kürzlich eröffnete Debatte über die Reform des Arbeitsrechts wäre der erste wichtige Prüfstein für das Gelingen eines solchen spannenden Projekts. Die Kommunistische Partei verfügt auf diesem Gebiet zwar über erhebliches Wissen und eine Vielzahl von Aktivisten, wird diese Ressourcen aber wohl eher dazu nutzen, sich selbst als den wahren Vertreter der Arbeiterklasse zu positionieren, als dazu, sie in die Gemeinschaftslösung einer vereinten Linken einzubringen.
Der Linksblock hat dagegen in diesem Bereich weniger Kompetenz und einen geringeren Organisationsgrad vorzuweisen und befindet sich daher gegenüber der PS in einer schwachen Verhandlungsposition. Dass in verschiedenen Regierungsbereichen kompetentes und erfahrenes Personal fehlt, ist wohl das größte Handikap für eine künftige Rolle als einziger Partner der Sozialisten. Insofern könnte der mögliche Rückzug der PCP aus dem Bündnis nach der nächsten Wahl die Zukunft des Projektes gefährden.
Nicht zuletzt ist da aber auch noch Europa. Der Erfolg der sozialistischen Regierung in Portugal war nur möglich, weil sie sich den nötigen Spielraum verschaffen konnte, um sich Schritt für Schritt aus dem Sparkurs herauszuarbeiten, dem sie durch die strengen europäischen Finanzregeln unterworfen ist. Dass die offene Rebellion Griechenlands auf ganzer Linie scheiterte, machte allen Kräften innerhalb der portugiesischen Linken deutlich, dass eine Alternative nur unter Einhaltung der Regeln möglich war. Nach anfänglichem Misstrauen belohnten die europäischen Institutionen diesen Kurs mit größerer Toleranz, und im Dezember 2017 wurde der portugiesische Finanzminister Mário Centeno zum Vorsitzenden der Eurogruppe gewählt.
Im Umfeld künftiger politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit wird das portugiesische Experiment einer Linksregierung nur eine Chance haben, wenn es seitens der EU weiter entsprechend unterstützt wird. Der Eintritt der Sozialdemokraten in die deutsche Bundesregierung hat in Portugal die Hoffnungen darauf verstärkt.
Quelle: Online Zeitschrift ipg-journal vom Referat Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung 09.04.2018
AFP / IPG „Jeder Versuch, einen progressiven Identitätsbegriff zu konstruieren, muss sich durch vermintes Gelände tasten.“
Quer durch die Gesellschaft wächst die Angst vor dem sozialen Abstieg. Den anonymen Kräften der Globalisierung, Automatisierung und Migration scheinbar ohnmächtig ausgeliefert, ziehen sich viele darauf zurück, wenigstens ihre eigene Lebenssituation in den Griff zu bekommen. Dieser Rückzug ins Private macht jedoch die gemeinschaftlichen Räume, die früher das Gefühl der Gestaltbarkeit der eigenen Umwelt vermittelt haben, noch enger. Das sinkende Vertrauen in die Gestaltungskraft der Politik wurde durch den Rückzug des Staates aus der Fläche noch verstärkt. Viele Menschen fühlen sich im Stich gelassen, und sehen sich nach politischen Alternativen jenseits der demokratischen Mitte um.
All jenen, die das Gefühl haben, kein Gehör zu finden in den von Lobbyisten dominierten Postdemokratien, abgehängt zu werden von den rasanten wirtschaftlichen Umbrüchen und keine Anerkennung zu erfahren von der pluralistischen Gesellschaft im Allgemeinen und den libertären Eliten im Besonderen, versprechen die Rechtspopulisten Schutz und Halt.
Um den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, muss Politik wieder dafür kämpfen, den Menschen Kontrolle über ihr Leben und das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft zurückzugeben. Dafür reichen materielle Absicherungen jedoch nicht aus. Menschen brauchen eine Identität, die ihnen Stolz, Anerkennung und Selbstachtung verleiht, um sich auf eine rasant verändernde Welt einlassen zu können. Die Sozialdemokratie muss daher all jenen, die Schutz und Zugehörigkeit suchen, ein Identitätsangebot machen.
Bisher hat es die Sozialdemokratie versäumt, dem völkischen Angebot der Rechtspopulisten ein progressives Identitätsangebot entgegenzusetzen. Das erklärt sich einerseits aus der Angst, die nationalistische Büchse der Pandora zu öffnen und damit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Tür und Tor zu öffnen. Andererseits beklagen viele, dass es gerade das zu viel an Identitätspolitik und zu wenig an Verteilungskampf war, was die weiße Arbeiterklasse verprellt hat.
Es sind keineswegs nur taktische Argumente, die für ein progressives Identitätsangebot sprechen. Auch die Herzkammer der sozialen Demokratie, die Solidargemeinschaft, funktioniert nicht ohne einen Identitätsrahmen.
Beide Einwände greifen zu kurz. Erstens hatte die Sozialdemokratie traditionell keinerlei Scheu, sich der emotionalen Energie kollektiver Identitäten zu bedienen. Die Lebenswelt der Arbeiterbewegung war voll von bewusstseinsbildenden Institutionen, von den Wandervögeln über die Lieder bis zum Turnverein. Zweitens zeichnen sich die politischen Konflikte des 21. Jahrhunderts, von der Zuwanderung („Rapefugees“) bis zur Geschlechtergerechtigkeit („#metoo“), gerade dadurch aus, dass materielle Verteilungskonflikte im kulturellen Gewand ausgefochten werden. Sind Progressive nicht in der Lage, ihre Anliegen in einer Sprache zu formulieren, die anschlussfähig in diesen neuartigen Debatten ist, dann finden auch ihre Sachargumente kein Gehör. Und schließlich hat die kampflose Aufgabe der kollektiven Identität das Spielfeld den Rechtspopulisten überlassen.
Es sind keineswegs nur taktische Argumente, die für ein progressives Identitätsangebot sprechen. Auch die Herzkammer der sozialen Demokratie, die Solidargemeinschaft, funktioniert nicht ohne einen Identitätsrahmen. Ist nicht klar, wer zur Gemeinschaft gehört und wer nicht, dann bleibt auch unklar, wer mit wem etwas teilen soll. Hier zeigt sich ein zentrales Dilemma aller progressiven Projekte. Die Umverteilung zwischen den Mitgliedern einer Solidargemeinschaft funktioniert umso besser, je kleiner diese Gemeinschaft ist. Allerdings werden die zur Umverteilung benötigten Ressourcen im Verteilungskampf mit einem Kapitalismus gewonnen, der global agiert.
Aus diesem Dilemma erklären sich auch die gegensätzlichen Richtungen, in die progressive Strategen ihre Projekte führen wollen. Auf der einen Seite werben die Linksnationalisten für eine Rückbesinnung auf den Nationalstaat. Strategisch soll die gemeinsame Klammer der Nation die isolierten Kämpfe partikularer Interessengruppen zu vereinen. Um die Nation nutzen zu können, muss zunächst den Rechten die Deutungshoheit über diesen problematischen Begriff abgerungen werden. Das soll durch eine andere Form der Abgrenzung geschehen. Wo sich die völkischen Rechten von den „Fremden“ abgrenzen, konstruieren Progressive „das Volk“ (99 Prozent) durch die Gegenüberstellung zu „den Eliten“ (1 Prozent). Ziel ist es, den nationalen Wohlfahrtsstaat vor der endgültigen Schleifung durch das globale Kapital und Brüsseler Technokraten zu retten.
Die Internationalisten dagegen glauben nicht, dass die kleinen Nationalstaaten auf sich allein gestellt in der Lage sind, die globalen Herausforderungen zu bewältigen. Um den neoliberalen Angriff auf die soziale Demokratie abwehren zu können, wollen sich die Internationalisten auf derselben Ebene wie das globale Kapital organisieren. Konsequent zu Ende gedacht, überführt diese Strategie das Europa der Vaterländer in die kosmopolitische Europäische Republik.
Ein progressiver Heimatbegriff muss internationalistisch und europäisch sein. Die sozialdemokratische Heimat ist ein weltoffener Ort mitten in Europa.
Beide Strategien stoßen schnell an ihre Grenzen. Der Linksnationalismus könnte durchaus neue Verbündete gewinnen, riskiert aber zugleich die eigene, internationalistische Basis zu entfremden. Dagegen verprellen die kulturellen Botschaften der libertären Internationalisten die Arbeiterklasse, während sich die kosmopolitischen Mittelschichten nicht für ihre Umverteilungspolitik erwärmen können.
Eine erfolgreiche Strategie muss also über den Nationalstaat hinausdenken, zugleich aber die Bedürfnisse vieler Menschen nach Halt, Sicherheit und Zugehörigkeit befriedigen. Deswegen laufen Versuche, eine kosmopolitische Identitätsbestimmung durch eine konservativere Positionierung zu ersetzen, ins Leere. Ehe für alle und Integration gegen Sicherheit und Leitkultur aufzurechnen bringt wenig und riskiert neue Spaltungen im progressiven Lager. Genauso verfehlt ist es, emotionale Grundbedürfnisse zu ignorieren und allein auf materielle Umverteilung zu setzen. Der progressive Identitätsbegriff muss also materielle Verteilungsfragen und kulturelle Anerkennungsbedürfnisse konstruktiv miteinander verbinden.
Jeder Versuch, einen progressiven Identitätsbegriff zu konstruieren, muss sich durch vermintes Gelände tasten. Emotional belegte Begriffe wie Nation, Patriotismus oder Leitkultur sind im libertären Teil der sozialdemokratischen Lebenswelt nicht vermittelbar. Anderseits sind blutleere Begriffe wie der Verfassungspatriotismus nicht in der Lage, die menschlichen Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Stolz, Selbstachtung, Ehre, Halt und Sicherheit zu befriedigen.
Eine emotionale Bindung verspricht der Begriff der Heimat. Der Begriff stößt zwar bei vielen auf Misstrauen, die dahinter rechtspopulistisches Gedankengut vermuten. Allerdings spielt gerade ein solches essentialistisches Sprachverständnis den Rechtspopulisten in die Hände, weil es ihnen das Spielfeld kampflos überlässt. Was Heimat bedeutet, steht eben nicht von vornherein fest, sondern wird im gesellschaftlichen Ringen um die Deutungshoheit über den Begriff definiert.
Selbstverständlich hat ein progressiver Heimatbegriff nichts mit tumber Deutschtümelei zu tun. Ein progressiver Heimatbegriff muss internationalistisch und europäisch sein. Die sozialdemokratische Heimat ist also ein weltoffener Ort mitten in Europa. Wohl aber lässt sich an die vitale Kultur lokaler Traditionen anknüpfen. Der Wiederaufbau gemeinschaftsstiftender Räume und Symbole ist daher ein wichtiger Teil dieses Heimatverständnisses.
Versuche, einen sozialdemokratischen Heimatbegriff zu konstruieren, gab es in jüngster Zeit vermehrt. Allerdings wurde dieser häufig lediglich kulturell definiert. Die rein kulturelle Positionierung führt unweigerlich zu Konflikten zwischen der kosmopolitischen und der kommunitaristischen Lebenswelt der Sozialdemokratie. Ein progressiver Heimatbegriff braucht daher immer auch eine materielle Komponente. Die progressive Heimat ist also der Ort, an dem das Gute Leben in der Guten Gesellschaft ermöglicht wird.
Ohne öffentliche Daseinsfürsorge funktioniert es nicht. Wenn es im Erzgebirge weder Busse noch Bahnen gibt, oder wenn Berlin im Müll versinkt, dann ist ein gutes Leben dort nur schwer möglich. Wenn junge Eltern zittern müssen, um einen Kitaplatz zu ergattern, wenn Frauen, Schwule oder Flüchtlinge sich nicht ohne Angst bewegen können, ist die Gesellschaft nicht gut.
Die progressive Heimat ist also eine lebenswerte Heimat. Sie wurzelt in lokalen Traditionen und schaut offen in die Welt. Sie stärkt die Menschen dabei, ihr eigenes Leben und das Zusammenleben in der Gemeinschaft zu gestalten.
Das politische Ziel der lebenswerten Heimat ist es, die Gesellschaft aus dem neoliberalen Würgegriff der Austerität zu befreien.
Die materielle Voraussetzung dafür sind erstklassige öffentliche Güter. In den ländlichen Gebieten, aber auch in den „Rustbelts“ der postindustriellen Städte bedeutet das Investitionen in Mobilität durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, in die Grundversorgung mit Postdienstleistungen und Glasfaserkabeln, in öffentliche Begegnungsorte wie Schwimmbäder und Sportvereine, sowie in kulturelle Orte wie Theater und Museen. Um sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen, bedeutet dies eine radikale Reform der Bildungssysteme. Und um den Ängsten der Menschen entgegenzuwirken, braucht es sowohl eine Stärkung der Polizei als auch der sozialen Sicherungssysteme.
All dies ist nur möglich durch eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen und Länder. Die Rückkehr des investierenden Staates ist allerdings nur durch das Ende der „Schwarzen Null“ zu erreichen. Das politische Ziel der lebenswerten Heimat ist es also, die Gesellschaft aus dem neoliberalen Würgegriff der Austerität zu befreien. Denn nur der handlungsfähige Staat ermöglicht, was sozialdemokratische Politik im Kern bedeutet: die Gestaltung der Gesellschaft. Die Rückkehr der investierenden öffentlichen Hand gibt der Sozialdemokratie ihren keynesianischen Werkzeugkasten zurück. Und den wird sie dringend brauchen, um die Nachfragekrise zu bearbeiten, die den Kapitalismus seit Jahrzehnten destabilisiert. Konkret bedeutet dies, die Rekordüberschüsse nicht länger in die Schuldentilgung zu leiten, sondern in Bildung, Infrastruktur und innere Sicherheit zu investieren.
Das Bekenntnis zu Europa ist keineswegs ein rhetorisches, sondern ein substantielles materielles Angebot. Frankreich und Italien erwarten aus Berlin zurecht ein klares Zeichen zur Stärkung Europas. Forderungen nach einer Transferunion sind jedoch in Deutschland nur schwer vermittelbar. Das Ende der Austerität eröffnet einen Ausweg aus dieser europapolitischen Sackgasse. Die Überwindung des Investitionsstaus treibt eben nicht nur das deutsche Wachstum an, sondern hilft zugleich bei der Lösung der Eurokrise. Die Linderung der europäischen Ungleichgewichte durch verstärkte Investitionen und steigende Löhne in Deutschland ist daher das einzig richtige Signal an die europäischen Partner.
Die Rückkehr der öffentlichen Hand in die Fläche signalisiert den Abgehängten in den entkernten ländlichen Gebieten, dass der Staat sie nicht aufgegeben hat. Die Stärkung des Sozialstaates als Bollwerk gegen die Fliehkräfte des globalen Finanzkapitalismus hilft dabei, Ängste vor dem sozialen Abstieg zu lindern. Verbesserte innere Sicherheit ermöglicht den Menschen, den rasanten Wandel der Gesellschaft anzunehmen. Die lebenswerte Heimat bietet so Halt und ist daher das beste Mittel, um den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Die lebenswerte Heimat bietet zudem eine gemeinsame Plattform, auf der sich alle Strömungen der Sozialdemokratie wiederfinden können. Die Stärkung der inneren Sicherheit ist eine wichtige Forderung der konservativeren Sozialdemokraten. Der Paradigmenwechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist das Kernanliegen der Linken. Zugleich ist der Fokus auf öffentliche Investitionen in die Daseinsvorsorge auch für Umverteilungsskeptiker attraktiv. Die Rückkehr der öffentlichen Hand in die Fläche dürfte auch Anhänger in den ländlichen Gebieten und bei auf den deutschen Markt angewiesenen Mittelständlern finden.
Die Einbettung der materiellen Verteilungsfrage in einen kulturellen Rahmen ist eine Formel, mit der sich gut in der entstehenden politischen Formation des digitalen Kapitalismus arbeiten lässt. Die lebenswerte Heimat ist also ein erster Schritt bei der Neubestimmung dessen, was soziale Demokratie im 21. Jahrhundert bedeutet.
Quelle:
Online Zeitschrift ipg-journal vom Referat Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung.
22.04.2018 16:46 Neue Parteivorsitzende – Unser Versprechen: Solidarität Nach 155 Jahren wird die SPD erstmals von einer Frau geführt: Die rund 600 Delegierten des SPD-Parteitags in Wiesbaden wählten Andrea Nahles mit 66,35 Prozent zur neuen Parteivorsitzenden. Mit der Wahl setzt die SPD auch einen ersten Baustein für die Erneuerung der Partei: Mehr Diskussion, mehr Demokratie und: Erstmals seit ihrer Gründung 1863 steht eine
22.04.2018 14:47 Andrea Nahles zur SPD-Vorsitzenden gewählt Andrea Nahles wurde heute auf dem außerordentlichen SPD-Bundesparteitag in Wiesbaden zur Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt. Wahlergebnis: Abgegebene Stimmen 631 davon gültige Stimmen 624 Ja-Stimmen für Andrea Nahles 414 (66,35 %) Ja-Stimmen für Simone Lange 172 (27,56 %) Enthaltungen 38 Pressemeldung 051/2018 von spd.de
19.04.2018 08:19 Außerordentlicher Bundesparteitag Wiesbaden Herzlich willkommen in Wiesbaden! Am 22. April beraten wir, wie wir als SPD gemeinsam in die Zukunft gehen. Alle sind herzlich eingeladen, sich mit ihren Ideen für eine starke Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert einzubringen. Es geht um neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit, die wir im Dialog miteinander finden wollen. Auf dem Parteitag
12.04.2018 17:17 Interview mit Andrea Nahles in der Frankfurter Rundschau SPD-Fraktionschefin Nahles will eine offene Debatte über die Frage, „welchen Sozialstaat eine Arbeitswelt braucht, die gut qualifizierte Menschen durch Algorithmen ersetzt.“ Ihr Anliegen: den Blick nach vorn richten, Pespektiven anbieten. Das komplette Interview mit der Frankfurter Rundschau auf spdfraktion.de