Im Zuge einer großangelegten Verlagerung der Produktion nach China schloss Adidas 1987 Schuhfabriken in Deutschland. Im letzten Jahr beschloss das Unternehmen, einen Teil der Schuhproduktion nach Deutschland zurückzuholen – in eine hoch automatisierte Anlage in der Nähe von Ansbach. Adidas’ damaliger Geschäftsführer Herbert Heiner fand es „nahezu unheimlich, wie sich der Kreis schließt“.

Bis jetzt hat sich der Kreis noch nicht völlig geschlossen, aber die Erwartungen steigen, dass genau das passieren wird. Mit Beginn der sogenannten vierten industriellen Revolution – technologischen Durchbrüchen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz, Robotik, dem Internet der Dinge, selbstfahrenden Kraftfahrzeugen und 3D-Druck – schreitet der Automatisierungsbooms in Hochgeschwindigkeit voran.

Angeblich sind Arbeitsplätze für Geringqualifizierte im Produktionssektor des Globalen Südens am meisten von der Automatisierung bedroht. Diese vielbeschriene Gefahr wird jedoch nicht wirklich durch Beweise untermauert.

Angeblich sind Arbeitsplätze für Geringqualifizierte im Produktionssektor des Globalen Südens am meisten von der Automatisierung bedroht. Diese vielbeschriene Gefahr wird jedoch nicht wirklich durch Beweise untermauert. Auch wenn wir sicherlich einräumen müssen, dass die aufkommenden Technologien Arbeitsplätze vernichten können, sieht es doch so aus, als seien die Länder mit hohen Einkommen weit mehr davon betroffen – wobei es wohl auch in diesen Ländern zu keiner allzu drastischen Verdrängung von Arbeitsplätzen kommen wird und der Netto-Beschäftigungseffekt nicht zwangsläufig negativ sein muss.

Der Hype um Automatisierung

Die weltweit tätige Unternehmensberatung McKinsey veröffentlichte kürzlich eine Studie, in der es heißt, dass 60 Prozent aller Beschäftigungen in der Welt zu mindestens 30 Prozent aus technisch automatisierbaren Tätigkeiten bestehe. Diese automatisierbaren Tätigkeiten stellen 1,2 Milliarden Arbeitsplätze dar. Bei einer Aufschlüsselung der Wirtschaftssektoren nach Art der Tätigkeit gehört die Fertigungsindustrie der Studie zufolge zu den drei Sektoren mit dem höchsten Automatisierungspotenzial. In diesem Bereich könnten möglicherweise 60 Prozent der Arbeitsplätze automatisiert werden.

Ein entsprechend schriller Alarm wird bezüglich der Automatisierung in Entwicklungsländern geschlagen. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich Entwicklungsländer in der Regel auf Fertigungen spezialisieren, die in hohem Maß auf ungelernte Arbeitskräfte angewiesen sind, also auf Arbeitskräfte, die theoretisch leicht durch Maschinen zu ersetzen sind. Das trifft auf die Bekleidungs-, Spielzeug- und Möbelindustrie zu. In ihrem Entwicklungsbericht von 2016 schätzt die Weltbank, dass zwei Drittel aller Arbeitsplätze in Entwicklungsländern der Automatisierung zum Opfer fallen könnten. Beispielsweise ist die Arbeit an Nähmaschinen schon heute zu 100 Prozent automatisierbar.

China sticht als das Entwicklungsland heraus, das die Produktion am schnellsten automatisiert. Der Bestand an Industrierobotern ist dort von 25 000 im Jahr 1995 auf 206 000 im Jahr 2015 gestiegen. Es wird erwartet, dass diese Zahl 2018 die Marke von 400 000 erreicht, was China zum Land mit den meisten Industrierobotern in der Welt machen wird.

Afrika ist eine weitere Region, in der man sich über die möglichen negativen Auswirkungen der Automatisierung Sorgen macht. Diese Auswirkungen sind noch nicht hinreichend untersucht, aber wenn man davon ausgeht, dass arbeitsintensive Fertigungsprozesse durch Automatisierung drastisch an Arbeitsintensivität verlieren, wird dies in den meisten afrikanischen Ländern schwerwiegende Folgen für die Industrialisierung haben. Und zwar vor allem, weil die Bevölkerung Afrikas in einer besorgniserregenden Geschwindigkeit zunimmt. Schätzungen zufolge wird die arbeitsfähige Bevölkerung auf dem Kontinent bis 2030 auf 800 Millionen Menschen anwachsen.

Warum die Aufregung überzogen ist

Die Angst, dass Maschinen den Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen, ist nicht neu. Schon die zwischen 1811 und 1816 stattfindenden Proteste der Maschinenstürmer in England sind Ausdruck dieser Angst. Da sie befürchteten, ihre Fähigkeiten würden nicht mehr gebraucht, wenn die Maschinen nach und nach in den Textilfabriken ihre Arbeitskraft ersetzen, zerstörte eine Gruppe von Textilarbeitern, die sogenannten Ludditen, aus Protest die Maschinen.

Das Vorhandensein einer bestimmten Technologie bedeutet nicht zwangsläufig, dass dies auch eine leicht anzuwendende oder kosteneffiziente Technologie ist.

Aber auch 200 Jahre später ist die Textilindustrie nach wie vor sehr arbeitsintensiv, genau wie einige andere Fertigungsindustrien. Bis jetzt werden 3D-Druck und Robotik nur in wenigen Ländern genutzt. Das Vorhandensein einer bestimmten Technologie bedeutet nicht zwangsläufig, dass dies auch eine leicht anzuwendende oder kosteneffiziente Technologie ist. 

Die oben erwähnten Studien von McKinsey und der Weltbank, die zu dem Schluss kommen, dass weltweit über die Hälfte der gegenwärtigen Beschäftigungen von einer Automatisierung bedroht sind, blieben nicht unangefochten. Beispielsweise wird in diesem Buch eine Studie zitiert, aus der hervorgeht, dass in den Entwicklungsländern lediglich 2 bis 8 Prozent der Arbeitsplätze von der Automatisierung bedroht sind. Der Grund dafür ist, dass die Tätigkeiten, die am ehesten von einer Automatisierung betroffen sein könnten, hauptsächlich von Arbeitskräften mit mittlerer Qualifikation ausgeführt werden: von Arbeitern in Ländern mit hohem Einkommen und in Ländern, die diese neuen Technologien kosteneffizient einsetzen können. Tatsächlich ist die Produktion von Elektronik, Arzneimitteln, elektrischen Geräten und Apparaten weit mehr von einer Automatisierung bedroht als die Produktion von Bekleidung, Lederartikeln und Holzerzeugnissen oder die metallverarbeitende Industrie.

Zweitens ist die verbreitete Annahme, dass die Anwendung neuer Technologien mit einem negativen Netto-Beschäftigungseffekt einhergeht, keineswegs erwiesen. In einigen Ländern Lateinamerikas passiert tatsächlich gerade das Gegenteil: In Argentinien, Chile und Kolumbien konnten Produktionsunternehmen, die in Informations- und Kommunikationstechnologie investierten, einen Nettoanstieg der Beschäftigungszahlen verzeichnen.

Und drittens: Selbst wenn wir von dem Katastrophenszenario ausgehen, dass 3D-Drucker und Roboter uns den Großteil unserer Arbeitsplätze wegnehmen, wissen wir nicht, ob ausgerechnet der Produktionssektor Arbeitsplätze in größerer Zahl einbüßen wird als der Dienstleistungs- oder Landwirtschaftssektor. Der oben zitierte McKinsey-Bericht zeigt zwar, dass die Fertigung zu den Wirtschaftsaktivitäten gehört, die am ehesten automatisiert werden können, aber er stellt auch fest, dass Dienstleistungen im Transport- und Lagerwesen, vor allem aber auch in der Lebensmittelbranche von der Automatisierung bedroht sind. In der Tat könnte die Sortierung von landwirtschaftlichen Produkten schon heute zu 100 Prozent automatisiert werden.

Wir sollten also noch nicht gegen die Maschinen wüten. Verstehen Sie mich nicht falsch: Maschinen werden im Globalen Süden mit Sicherheit in näherer Zukunft Arbeitsplätze im Produktionssektor abbauen. Aber das Ausmaß dieses Arbeitsplatzabbaus wird übertrieben dargestellt.

Aus dem Englischen von Ina Görtz

Quelle:

Online Zeitschrift ipg-journal vom Referat Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung.